Blogbeiträge zum „Sturm auf das Kapitol“

Stellungnahme als Blogbeitrag: „Sturm auf das Kapitol“

Am Mittwoch, den 06.01.2021, kamen die Kongressabgeordneten der USA zusammen, um Joe Biden als neuen Präsidenten zu bestätigen. Hunderte Unterstützer des bereits abgewählten Präsidenten Donald Trump sorgten für eine Unterbrechung dieses Zusammenkommens, indem sie das Kapitol stürmten und dort randalierten. Trump hatte Joe Bidens Wahlsieg zuvor als Betrug dargestellt, was seine Anhänger für einen Aufruf zur Gewalt gehalten haben. Trump hatte den Randalierern via Twitter und anderen Social-Media-Plattformen zugesprochen: Er würde sie lieben und sie seien etwas ganz Besonderes. Anschließend wurden diese Konten gesperrt. Des Weiteren sind ein Polizist und eine Trump-Anhängerin während des Sturms auf das Kapitol ums Leben gekommen.[1] Doch wie kann man dieses Ereignis vor dem Hintergrund der Funktionen und der Bedeutung demokratischer Wahlen beurteilen?

Sowohl die Bundestagswahl als auch die US-Präsidentschaftswahl erfüllen die fünf Wahlgrundsätze. Alle Bürgerinnen und Bürger sind wahlberechtigt, soweit sie die allgemeinen Voraussetzungen dafür erfüllen, beispielsweise eine vorherige Registrierung in den USA. Keine Gruppe ist aus sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Gründen von der Wahl ausgeschlossen (allgemein). Die Wählerstimmen werden direkt für die Zuteilung der Abgeordnetensitze verwendet. In den USA gibt es hierbei noch eine Zwischeninstanz (Wahlmänner) (unmittelbar). Die Stimme kann frei von staatlichem Zwang oder sonstiger unzulässiger Beeinflussung abgegeben werden (frei). Es darf nicht feststellbar sein, wie die Bürger gewählt haben (geheim). Alle Wahlberechtigten haben gleich viele Stimmen zu vergeben (gleich). Während in Deutschland alle Stimmen das gleiche Gewicht haben, sieht das in den USA aufgrund des Wahlmänner-Systems etwas anders aus. So vertritt beispielsweise ein Wahlmann aus Kalifornien die Stimmen von doppelt so vielen Menschen wie das für einen aus Delaware der Fall wäre.[2] Dazu kommt, dass die Einteilung der Wahlkreise so erfolgt, dass sie meist zuverlässig einer Partei zugeordnet werden können. Dies gilt teilweise auch für ganze Staaten (mit Ausnahme der Swing States).

All das könnte dafür sprechen, dass das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl nicht unbedingt als repräsentativ zu bezeichnen wäre. Trotzdem gelten fast alle Wahlgrundsätze in den USA. Allerdings sind davon „unmittelbar und gleich“ ausgenommen. Dagegen spricht, dass die Wahl im November die höchste Wahlbeteiligung in den letzten 40 Jahren mit 66,4% verzeichnete.[3] Wenn man die absolute Anzahl der Stimmen miteinander vergleicht, stellt man fest, dass zwischen Biden (über 81 Millionen Stimmen) und Trump (über 74 Millionen Stimmen) eine Differenz von etwa sieben Millionen Stimmen liegt. Da sich Trumps Unterstützer sowohl prozentual als auch nach absoluten Zahlen gesehen in der Minderheit befinden, handelte es sich bei dem Sturm auf das Kapitol keineswegs um einen Aufstand gegen ihnen widerfahrenes Unrecht, vielmehr war es ein gewaltsamer Protest von Menschen, die das Ergebnis einer demokratischen Wahl nicht anerkennen wollen. Die Weigerung, die Niederlage von Donald Trump einzugestehen, kommt auch durch den Präsidenten selbst. So fing er bereits im Vorfeld an, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Präsidentschaftswahl zu säen, was er vor allem mit einer höheren Anzahl an Briefwählern begründete, die aufgrund der Corona-Pandemie erwartet wurden. Nach der Wahl wiederholte er diese Aussagen mehrmals und behauptete, die Wahl sei ihm gestohlen worden. Auch einige republikanische Politiker folgten vorerst diesen beziehungsweise dementierten sie nicht.

Obwohl alle Klagen gegen das Wahlergebnis wegen fehlender Beweise abgelehnt wurden, heizte Trump die Stimmung im Volk weiter auf. Hinzu kommt, dass das Wahlsystem in den Vereinigten Staaten von Amerika sehr viel komplexer ist, wodurch viele Menschen nicht nachvollziehen können, was genau mit ihren Stimmen passiert. Da die Motive für den Sturm auf das Kapitol unrechtmäßig sind und die Teilnehmer nur einen kleinen, radikalisierten und zugleich fanatischen Teil der Bevölkerung darstellen, ist dieser keineswegs als legitime Begebenheit zu betrachten. Indem sie die Mehrheitsentscheidung der amerikanischen Bevölkerung nicht anerkennen, verstoßen sie gegen die demokratischen Grundsätze. Wahlen ermöglichen politische Mitsprache der Regierten und integrieren sie in das politische System. Sie garantieren die Bindung der Politik an den Willen der Regierten, denn die Regierung richtet ihr Handeln am Wählerwillen aus. Eine weitere grundlegende Funktion von Wahlen ist es, die politische Macht zeitlich auf die Dauer einer Legislaturperiode zu begrenzen. So wird durch die Kontrolle des Parlamentes und der Regierung auch ein politischer Machtwechsel ermöglicht. In diesem Fall muss Trump als Republikaner das Amt an seinen demokratischen Nachfolger Biden übergeben.  

Dazu kommt, dass die Teilnehmer mehrere Straftaten dabei begingen, indem sie beispielsweise ins Kapitol einbrachen, Gegenstände entwendeten oder auch die Sicherheitskräfte bedrohten und verfolgten. Allerdings muss man sagen, dass es sich um eine vergleichsweise „effiziente“ Maßnahme handelt, da neben großer medialer Aufmerksamkeit auch ein kleiner Triumph über die Demokratie mit deren Institutionen erreicht wurde. So mussten die Abgeordneten den Wahlprozess zur Bestätigung Joe Bidens als neuen US-Präsidenten pausieren. Zudem musste durch die geringe Anzahl an vor Ort bereitstehenden Sicherheitskräften nur ein recht geringer Aufwand betrieben werden. Jedoch wurde nicht bloß die Sicherheit von Kongressabgeordneten und anderen Mitarbeitern gefährdet, wodurch fünf Menschen verstarben.

Vielmehr kann man den Sturm auf das Kapitol, welcher von Zweifeln am rechtmäßigen Wahlergebnis und Anstachelungen „sich bereit zu halten“[4] provoziert wurde, auch als „Angriff oder Schlag gegen die amerikanische Demokratie“ sehen, da er von einer fanatischen Minderheit ausgeübt wurde. Nun liegt es an Joe Biden, dem 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, das durch Trump gespaltene Volk wieder zu einen.

Amélie Diederich, Isabell Stender, Christin Hillmann

 


[1] Marco Wedig: „Der Sturm auf das Kapitol“, https://www.spiegel.de/deinspiegel/washington-der-sturm-auf-das-kapitol-fuer-kinder-erklaert-a-00000000-0002-0001-0000-000174677101, 20.01.2021

[2] Andrea Bachstein und Sebastian Jannasch: „In den USA ist Stimme ist nicht gleich Stimme“, https://www.sueddeutsche.de/politik/wahlsystem-stimme-ist-nicht-gleich-stimme-1.3243537, 21.01.2021

[3] „Wahlbeteiligung bei US-Präsidentschaftswahlen von 1980 bis 2020“, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2184/umfrage/wahlbeteiligung-bei-us-praesidentschaftswahlen/, 20.01.2021

[4] Mirko Schmid: „Rechtsradikale „Proud Boys“ spotten über Donald Trump: „Nur ein schwacher Mann“, 29.1.2021; https://www.fr.de/politik/donald-trump-proud-boys-ex-praesident-spott-rechtsextremismus-miliz-washington-90179249.html