Blogbeiträge zum „Sturm auf das Kapitol“

USA: Demokratie fehlgeschlagen?

Die Ereignisse in den USA rund um die Präsidentschaftswahl, besonders im Bezug auf den Sturm auf das Kapitol, stehen derzeit zentral in der Öffentlichkeit und werden eingehend diskutiert. Wenn man den gewaltsamen Sturm des Kapitols in den Blick nimmt, stellt sich die Frage, inwiefern die Funktionen von Wahlen und Demokratie in den USA noch erfüllt werden beziehungsweise werden können.

Demokratie beruht auf der Freiheit, sich durch Wahlen zu organisieren und damit dies gewährleistet werden kann, müssen Wahlen gewisse Grundfunktionen erfüllen. Diese Funktionen bestehen im Wesentlichen darin, das gesamte Volk und seine Interessen durch die gewählten Abgeordneten zu vertreten, politische Akteure zu legitimieren und durch Regelmäßigkeit der Wahlen Machtkontrolle auszuüben, sowie die Willensartikulation der Bevölkerung widerzuspiegeln und einen gesellschaftlichen Pluralismus zu bilden.[1] Kurz: Repräsentation, Legitimation, Kontrolle und Integration.

Gegen die Erfüllung dieser Funktionen spricht zu aller erst, dass es auch nach mehrmaligem Auszählen der Wahlzettel, sowohl bei den Anhängern Trumps, als auch bei Trump selbst, keine Akzeptanz der Wahlergebnisse gab. Im Gegenteil, Donald Trump hat wiederholt den Vorwurf des Wahlbetrugs geäußert, wobei ihm seine Anhänger zustimmten und ihn unterstützen.[2] Dies hebt den Verlust des Vertrauens und des Glaubens an die Wahlen und somit die Demokratie hervor, was bereits im Vorfeld, vor der Wahl, deutlich geworden ist. Donald Trump wollte die Briefwahl, welche aufgrund der Corona-Pandemie vermehrt genutzt wurde, boykottieren, womit er Funktionen wie Repräsentation und Integration klar eingeschränkt hätte.

Auf der anderen Seite hingegen ist zu erwähnen, dass die Wahlen regelmäßig stattfinden und weiterhin alle Stimmen der Wahlberechtigten zählen.

Trotz der Hindernisse und dem problematischen Wahlhergang ist schlussendlich eine Pluralismusbildung erfolgt. Die Opposition, in diesem Fall die Demokraten, hat die Chance bekommen, wie es die Kontrollfunktion fordert, durch die Wahl an die Macht zu gelangen und der politische Gegner Trumps ging als Sieger der Wahl hervor. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Einwand des US-amerikanischen Wahlsystems, denn der Kandidat wird nicht direkt mit einer Mehrheitsentscheidung gewählt, sondern über Wahlmänner und Wahlfrauen bestimmt, die dann für einen der Kandidaten stehen. Es gibt derzeit 538 Wahlleute, dabei hat jeder Staat mindestens drei Wahlleute, die übrigen werden je nach Einwohnerzahl verteilt. Erhält ein Kandidat die Mehrheit der Wahlkreise, so erhält er auch alle Wahlleute des Staates.[3] Auf diese Weise kann es jedoch vorkommen, dass die Mehrheit der Bevölkerung für einen Kandidaten stimmen kann, ohne dass dieser tatsächlich die Wahl gewinnt. Davon abgesehen sind in der Vorentscheidung alle Stimmen, die nicht an die beiden Sieger der Vorwahl gingen, verlorene Stimmen. Somit werden einige Stimmen nicht berücksichtigt und Minderheiten können nicht richtig repräsentiert werden, da sie sich mit den verbleibenden Kandidaten möglicherweise nicht identifizieren können. Damit kann eine zentrale Funktion, die Repräsentation, nicht vollständig erfüllt werden, da keine Mehrheitsentscheidung stattfindet. Dies ist wichtig, denn die Bevölkerung der USA ist tief gespalten in Demokraten und Republikaner, was besonders bei der letzten Wahl und damit auch bei der Umsetzung der Wahlfunktionen eine wichtige Rolle spielte. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Bildung eines politisch aktionsfähigen Gemeinwillens als schwierig.

Inwieweit lässt sich dies nun am Sturm auf das Kapitol erkennen?

Der Sturm auf das Kapitol in Washington ereignete sich am 06. Januar 2021, als Anhänger des, zu dem Zeitpunkt noch amtierenden, US-Präsidenten Donald Trump unter Einsatz von Gewalt den Kongress, das Parlament der USA, stürmten, während die Abgeordneten Joe Biden für sein Amt legitimierten.[4] Bei dem Sturm wurden unter anderem Sprengkörper eingesetzt und somit großer Schaden angerichtet, das Resultat waren fünf Tote.[5]

Deutlich wird hier vor allem, dass ein Teil der Bevölkerung kein Vertrauen mehr in den demokratischen Prozess hat und der Präsident selbst die demokratischen Grundlagen nicht akzeptiert beziehungsweise respektiert und nicht nach ihnen handelt. Stattdessen versuchte er mit undemokratischen Mitteln einen Amtswechsel zu verhindern und rief selbst in gewisser Weise zu diesem Sturm auf mit der Begründung, es handele sich um Wahlbetrug. Somit wird hier allem voran die demokratische Repräsentation nicht erfüllt. Erkennbar ist auch hier die Spaltung der US-amerikanischen Bevölkerung, deren unterschiedliche Standpunkte und politische Ansichten in Gewalt umschlagen.[6] Bislang waren die Machtwechsel in der US- amerikanischen Republik friedlich, diese Tradition wurde durch den Vorfall gebrochen.[7]

Um abschließend zur Ausgangsfrage zurückzukommen, ob die Erfüllung der Funktionen von Wahlen und Demokratie in den USA noch gewährleistet wird und werden kann, denke ich, dass vor allem das Wahlsystem in den USA eine bedeutende Rolle spielt. Insgesamt bin ich der Auffassung, dass die Funktionen Kontrolle und Legitimation erfüllt werden und auch die Integrationsfunktion umgesetzt wird, wenn auch mit Hindernissen und Einschränkungen. Die Repräsentationsfunktion hingegen wird weniger beziehungsweise kaum erfüllt.

Betrachtet man ausschließlich den Vorfall vom 06. Januar 2021 bin ich der Meinung, dass der frühere Präsident Donald Trump einen großen Einfluss auf das Geschehen hatte und dies nicht explizit auf die Funktionen von Wahlen zurückzuführen ist, sondern eher auf ein Missverständnis der eigenen politischen Position und einen versuchten Machtmissbrauch Trumps. Meiner Ansicht nach können die Grundfunktionen der Demokratie unter Präsident Biden besser gewährleistet und umgesetzt werden.

Svenja Boden

 


[1] Korte, Karl-Rudolf. „Funktionen von Wahlen für das politische System.“ Kolleg Politik und Wirtschaft – Niedersachsen. Hg. Kersten Ringe und Jan Weber. Bamberg: C.C.Buchner, 2019. 96.

[2] Wetzel, Hubert. „Die Demokratie funktioniert doch.“ Süddeutsche Zeitung. 22.01.2021. https://www.sueddeutsche.de/meinung/usa-wahl-demokratie-trump-biden-1.5147743

[3] Klingschat, Katrin. „Das Wahlsystem der USA einfach erklärt.“ stuttgarter-zeitung.de. 22.01.2021. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.wahlsystem-usa-einfach-erklaert-mhsd.9d3e5458-ded2-49be-bc75- 9f19b5afd0ca.html

[4] Steinlein, Jasper. „Wie kam es zum Sturm aufs Kapitol?“ tagesschau.de. 22.01.2021. https://www.tagesschau.de/ausland/sturm-auf-kapitol-101.html

[5] „Neue Details bekannt: So starben die 5 Menschen bei den Kapitol-Krawallen.“ bild.de. 22.01.2021. https://www.bild.de/politik/2021/politik/nach-sturm-aufs-kapitol-polizist-an-verletzungen-gestorben-74795648.bild.html

[6] „Melania Trump: Stellungnahme zum Sturm auf das Kapitol.“ stern.de. 22.01.2021. https://www.stern.de/lifestyle/leute/melania-trump–stellungnahme-zum-sturm-auf-das-kapitol-9561646.html

[7] Steinlein, Jasper. „Wie kam es zum Sturm aufs Kapitol?“